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Resolution zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz der Vertreterversammlung der KZV LSA

Auf ihrer Sitzung am 25. November 2022 hat die Vertreterversammlung der KZV Sachsen-Anhalt in Anlehnung an einen entsprechenden Beschluss der KZBV-VV am 24.11.2022 einstimmig eine Resolution zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beschlossen.

Resolution der VV vom 25. November 2022

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz gefährdet die vertragszahnärztliche Versorgung und verschärft das seit Jahren größer werdende Problem des Nachwuchs- und Personalmangels im zahnärztlichen Bereich in Sachsen-Anhalt

Das Gesetz zur Stabilisierung der Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG) wird von der Zahnärzteschaft in Sachsen-Anhalt entschieden abgelehnt. Um nachhaltigen Schaden für die vertragszahnärztliche Versorgung der Bevölkerung im Land abzuwenden, fordert die Vertreterversammlung der KZV Sachsen-Anhalt den Gesetzgeber auf, die betreffenden Regelungen des GKV-FinStG (§ 85 Abs. 2d und 3a SGB V) in einer sachangemessenen Weise zu reformieren.

Die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verabschiedeten Regelungen über die verschärfte Rückkehr zur strikten Budgetierung der Gesamtvergütungen sind für die Vertragszahnärzteschaft nicht hinnehmbar. Sie erschweren die vollständige Erbringbarkeit des vertragszahnärztlichen Leistungsspektrums, insbesondere der neuen Parodontitis-Therapie. Dadurch gefährden diese Regelungen in erheblichem Maße die vollständige, flächendeckende Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung und somit die Mundgesundheit der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt.

Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die betreffenden Regelungen des GKV-FinStG umgehend in einer sachangemessenen Weise zu reformieren, insbesondere indem die neuen Parodontitis-Leistungen gemäß der Forderung des Bundesrates für alle gesetzlich Versicherten extrabudgetär gestellt werden und damit die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Mittel gewährleistet wird.

Die KZV Sachsen-Anhalt betrachtet es bei unveränderter Geltung der Regelungen des GKV-FinStG und verschärft durch die massiv verschlechterten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge von Inflation und Energiekrise als zunehmend problematischer, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung vollumfänglich flächendeckend sichergestellt und gewährleistet werden kann. Die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Prämisse, dass ein aufgrund von Richtlinien des G-BA ausgeweiteter Leistungskatalog vollständig erbracht werden kann, wenn der Gesetzgeber die hierfür erforderlichen Mittel kappt, ist illusorisch, lebensfern und unzumutbar.

Die Vertreterversammlung der KZV Sachsen-Anhalt verurteilt daher die verantwortungslosen Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, da diese die flächendeckende Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung erheblich gefährden. Ohne eine umgehende Reform der gesetzlichen Regelungen (§ 85 Abs. 2d und 3a SGB V) – insbesondere einer gesetzlichen Herausnahme der PAR-Leistungen aus der Budgetierung, wie sie auch der Bundesrat gefordert hatte – sieht sich die KZV Sachsen-Anhalt außerstande, weiterhin die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung bei der Parodontitis-Therapie vollumfänglich flächendeckend im Land Sachsen-Anhalt sichergestellt und gewährleistet werden kann.

Begründung:

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch für die vertragszahnärztliche Versorgung haben sich durch die aktuelle Krisensituation mit stark steigender Inflation und entsprechendem Kaufkraftverlust sowie einer Explosion insbesondere der Energiepreise massiv verschlechtert. Zudem leiden viele Zahnarztpraxen noch immer unter den Auswirkungen der Coronapandemie mit deutlichen Fallzahlrückgängen und gestiegenen Praxiskosten u. a. für Schutz- und Hygieneausrüstung, Testkits u. dgl. Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat der Gesetzgeber entgegen den Warnungen der KZBV und der KZVen eine verschärfte Rückkehr zur strikten Budgetierung der zahnärztlichen Gesamtvergütungen und zur Begrenzung der Preise (Punktwerte) beschlossen.

Die Auswirkungen der strikten Budgetierung auf die erst zum 1. Juli 2021 aufgrund von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in die zahnärztliche Versorgung aufgenommene neue, präventionsorientierte Parodontitis-Therapie werden weitestgehend ignoriert.

Die mehrjährige Behandlungsstrecke befindet sich immer noch ganz am Anfang der Einführungsphase, die über mehrere Jahre bis 2024 gestreckt sein wird und nur zu geringen Teilen in den Gesamtvergütungen abgebildet ist. Daher wirkt die durch das GKV-FinStG wiedereingeführte Budgetierung nicht nur im Sinne einer Begrenzung von künftigen Ausgabenzuwächsen, sondern es werden der präventionsorientierten Parodontitis-Therapie als neuer GKV-Leistung die für deren Erbringung erforderlichen, erst kürzlich zugesagten Mittel wieder entzogen. Die neuen PAR-Leistungen wurden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss im Konsens aller dort Beteiligten einschließlich der Krankenkassenseite sowie mit Billigung des BMG im Wissen um die damit verbundenen Kosten zugunsten der Patientenversorgung eingeführt und in den BEMA integriert.

In zahlreichen Gesprächen mit den politischen Verantwortungsträgern und auch in der Expertenanhörung im Bundestag wurde von Vertretern der Vertragszahnärzteschaft klar dargelegt, dass vor diesem Hintergrund die strikte Budgetierung das faktische Aus für diese wichtige Behandlung bedeutet. Durch die im Bundestag auf den letzten Metern eingebrachten Änderungen der Koalition werden alleine die Finanzmittel für die Behandlung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung zur Verfügung gestellt. Damit springen der Bundesgesundheitsminister und die Ampelfraktionen viel zu kurz: So wichtig die Versorgung vulnerabler Gruppen ist, eine Ausnahmeregelung für die Parodontitis-Therapie hätte alle GKV-Versicherten einschließen müssen. Die weit überwiegende Mehrheit der Patientinnen und Patienten, die dringend auf eine wirksame und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft basierende Behandlung angewiesen ist, bleibt mit dieser Entscheidung auf der Strecke. Auch ist die nun gesetzliche vorgegebene Evaluierung der Auswirkungen der Budgetierung auf die Parodontitis-Versorgung durch das BMG bis zum 30. September 2023 als „Trial and error“ auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten der falsche Weg.
Für die Versicherten wird dies entgegen den wiederholten Beteuerungen des Bundesgesundheitsministers, dass es nicht zu Leistungskürzungen kommen werde, genau solche Leistungskürzungen faktisch zur Folge haben.

Das GKV-FinStG bürdet den Vertragszahnärzten auf, ein neues GKV-Leistungsspektrum vollständig zu erbringen, für das aber die erforderlichen Mittel nicht mehr bereitgestellt bzw. gekappt werden, und überspannt damit den Toleranzbogen über das Maß eines solidarischen Mittragens von Sparzielen bei weitem. Dem vergleichsweise kleinen zahnärztlichen Versorgungsbereich wird mit dem GKV-FinStG eine überproportionale Belastung auferlegt mit entsprechenden Folgen für die Patientenversorgung. Gleichzeitig geht die Politik die strukturellen GKV-Probleme, die größtenteils Ursache des Defizits sind, nicht an. Die Vertragszahnärzteschaft ist zur Solidarität bereit, nicht aber dazu, für Fehler der Gesundheitspolitik überproportionale Kürzungen hinzunehmen, die sich finanziell und auf die Erbringbarkeit eines modernen zahnmedizinischen Behandlungsspektrums massiv negativ auswirken.

Wie kaum ein anderes Bundesland ist Sachsen-Anhalt bereits heute mit einer prekären Versorgungssituation konfrontiert. Sachsen-Anhalt ist das erste Bundesland, in dem eine drohende kieferorthopädische und zahnärztliche Unterversorgung in bestimmten Landkreisen festgestellt wurde und wo in Teilen des Landes eine rechnerische Unterversorgung bereits gegeben ist. Aufgrund der Tatsache, dass nur noch etwa die Hälfte der aus der vertragszahnärztlichen Versorgung im Land ausscheidenden Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte für ihre Praxen eine Nachfolge finden, sind in Sachsen-Anhalt in den letzten sieben Jahren circa 300 Praxissitze verloren gegangen. Diese negative Entwicklung wird sich aufgrund der Altersstruktur der hiesigen Zahnärzteschaft in den kommenden Jahren weiter fortsetzen. Um dem entgegenzuwirken, unternehmen die zahnärztlichen Körperschaften im Land bislang ohne nennenswerte Unterstützung der Politik erhebliche Anstrengungen zur Sicherstellung und Nachwuchsgewinnung. Die mit dem GKV-FinStG verabschiedeten Regelungen über die verschärfte Rückkehr zur strikten Budgetierung der Gesamtvergütungen bedeuten jedoch einen deutlichen Rückschlag im Hinblick auf die bereits umgesetzten Maßnahmen zur Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung im Land.